DIGITALITÄT IN BEWEGUNG

Ein virtueller Roundtable in der Münchner Google Niederlassung

 

Datensicherheit ist ein zentrales Thema der Digitalisierung. Wie sehr gerade die Entwicklung von individualisierten Anwendungen und Geräten aber auch das Zusammenspiel von Design- und Datensicherheit beeinflussen, wie der aktuelle Stand der Entwicklung bei Google ist und was mögliche Zukunftsszenarien sind, wurde im Gespräch mit führenden Köpfen aus verschiedenen Bereichen des Google Safety Engineering Centers in München deutlich. Javier Lopez arbeitet im Google Material-Design Team und ist dort für interaktive Design-Systeme zuständig. Anneke Rietzel leitet ein multidisziplinäres Team von Designer*innen, Forscher*innen und Redakteur*innen, das neue interne Konzepte für die strategische Planung, Arbeitsausrichtung und Zusammenarbeit bei Google entwickelt. Kalle Buschman ist Designer, Stratege und UX-Lead im Google Safety Engineering Center. Der Arbeitsfokus seines Teams ist User Privacy Experience. Und Jonathan Aroner schließlich leitet ein Kreativ-Team, das die Zukunft der Sicherheit im Netz für Google Chrome entwickelt.

»Ich suche das mal eben auf Google« – wer hat das noch nicht gehört oder selbst schon gesagt. Wer sich jedoch dem Google-Kosmos über die bloße Suchmaschinen-Funktion hinaus einmal annähert, kann einige Überraschungen erleben: Von der Entwicklung der Android Automotive Plattform, über das Pixel Smartphone, Google for Startups, Google Maps und vielem mehr, bis hin zu Youtube – die Bandbreite der Produkte, die Google entwickelt und anbietet, ist enorm.

Bei dem virtuellen Roundtable wurde dann auch schnell klar, in welchem Maß die technologischen Entwicklungen der letzten beiden Dekaden neue Unternehmenshorizonte, aber auch Herausforderungen mit sich gebracht haben – gerade, wenn es um Datensicherheit oder Partizipation, also die Einbeziehung von Nutzerbedürfnissen geht, oder wenn es gilt, die neuen Möglichkeiten der Digitalität auch bei der Entwicklung von Hardware zu nutzen. Und schließlich wirkt sich all das auch auf den Designbegriff aus, bei dem im Zeichen der Digitalisierung Themen wie Benutzerführung und Individualisierung von Benutzeroberflächen immer wichtiger werden und nebenbei auch die Frage aufgeworfen wird, inwieweit ein Algorithmus denn auch schon Design sein kann. Die Mission von Google ist aber nach wie vor die »Organisation der Informationen der Welt und deren möglichst universelle Bereitstellung«. Ein hoher Anspruch, der große Verantwortung mit sich bringt.

Safety first

Seit 2006 ist Google in München mit einem Entwicklungszentrum präsent. Seit 2020 bereits mit 1200 Mitarbeiter*innen, 2023 sollen es dann schon 1500 sein – Tendenz weiter steigend. Und das mit Menschen aus immerhin 60 Nationen. Was den Münchner Standort so besonders macht, ist aber nicht nur seine Internationalität, sondern gerade die Themen, die hier, etwa durch das Google Safety Engineering Center – kurz: GSEC – betreut werden. Es ist Googles globales Entwicklungszentrum für Sicherheit und Datenschutz.

»Wir haben das Ziel, dass Nutzer*innen verstehen, wofür ihre Daten verwendet werden und dass ihre Daten privat bleiben und geschützt sind«, erklärt Kalle Buschmann einen der zentralen Aspekte, die unter anderem bei Teams im GSEC auf der Agenda stehen. Mit der erfolgreichen Abwehr von Cyberkriminalität steht und fällt auch das Vertrauen in die Verlässlichkeit des Unternehmens.

Welche Dimensionen die Aufgabe hat, die Daten zu schützen, welche die Nutzer*innen Google anvertrauen, macht der Blick auf die Statistik unmittelbar deutlich: Googles Spamfilter blockiert fast 10 Millionen E-Mails pro Minute. Google’s Safe Browsing Feature schützt jeden Tag über 4 Milliarden Geräte mit Warnungen für User*innen, wenn sie Gefahr laufen, schadhafte Webseiten zu besuchen oder schadhafte Inhalte herzuunterladen. Beeindruckende Zahlen, und je mehr sich die Nutzung der Google Produkte individualisiert und damit differenziert, desto größer wird auch das Bedürfnis nach umfassender Datensicherheit.

Material You: Die Rolle von Design in Zeiten von Inklusion und Individualisierung

»Es geht heute mehr und mehr darum, den Menschen zu helfen, ihre eigenen Informationen zu organisieren und Querverbindung zu unseren vielen verschiedenen digitalen Services zu schaffen. Wenn ich etwa nach Urlaubsinformationen suche, die meinen ganz persönlichen Interessen entsprechen, und das vielleicht auch mit einer Landkarte verknüpfen möchte. Und dann will ich womöglich auch noch gleich einen passenden Flug suchen.« Individualisierung und Partizipation seien zentrale Themen bei Google und das wirke sich ganz unmittelbar auch auf die Produktgestaltung aus, wie Javier Lopez ausführt.

»Dinge wie Inklusion und Individualisierung stehen heute ganz oben auf der Agenda der Menschen und dabei beginnt das Design ganz neue Rollen einzunehmen. Es kann also auch darum gehen zu entwerfen, wie man ein bestimmtes Problem lösen kann, und nicht nur die Ästhetik einer Benutzeroberfläche zu gestalten. Ich glaube, wir treten in eine Phase ein, in der Design demokratischer wird. Es geht weniger darum, dass ein einzelnes Unternehmen einer Gruppe von Menschen eine bestimmte Lösung aufzwingt,sondern es geht um Partizipation, um Flexibilität und um das Gespräch mit unseren Nutzer*innen.«

Entsprechend komplex ist auch der Designprozess, bei dem Spezialist*innen aus den Bereichen User Experience, Technik, Produktmanagement und Design zusammenarbeiten. Eine statische Auffassung von Design mit einem eindeutig definierten Produkt als Ergebnis weicht dabei mehr und mehr einer beweglichen, dynamischen und individuellen Gestaltung, wie Lopez am Beispiel der Farbfunktion der neuesten Google Smartphones erklärt: »Die Benutzer*innen können ja ihre Hintergrundbilder ändern, aber auf der Grundlage dieses Hintergrundbildes generiert das System nun ein neues Farbschema, das nicht nur für dieses Smartphone, sondern auch für Produkte von Google, wie Gmail, Drive, Fotos, Maps, Translate, Dialer und Uhr verwendet wird. Das scheint mir eine völlig neue Art des Denkens darüber zu eröffnen, welche Rolle wir bei dem Designprozess einnehmen, bei dem mehr und mehr der Input der Nutzer*innen maßgeblich wird.« So eine flexible Designauffassung kommt auch bei dem großen Thema der Neurodiversität zum Tragen. Dabei eröffnet sich eine Zukunftsperspektive digitalen Designs, in dem lernfähige Systeme und KI eine zunehmend zentrale Rolle spielen. An einer nuancierten Einbeziehung der unterschiedlichen kognitiven Fähigkeiten der User*innen in die Gestaltung wird intensiv gearbeitet – auch diese Zukunft hat bei Google bereits begonnen.

Googol wird in der Mathematik eine Eins mit hundert Nullen genannt. Der praktische Nutzen dieser Zahl sei gering, heißt es. Für Larry Page und Sergey Brin, die ihr 1998 in einer Garage gegründetes Unternehmen in Anlehnung an diese Zahl Google nannten, hat sie sich allerdings mehr als gelohnt. Google ist heute weltweit der Marktführer, wenn es um Internetsuche geht. Aber längst hat der kalifornische Tech-Gigant, der seit 2015 eine Tochterfirma der Alphabet Inc. ist, im Zeichen der Digitalisierung auch andere Tätigkeitsfelder und Märkte für sich erschlossen und gehört zu den sogenannten Big Five der IT-Branche.

Das Gespräch mit Google München erschien erstmals im MCBW MAG im Rahmen der MCBW 2022.